Eine Naturkatastrophe jagt die nächste, der Klimawandel schreitet mit großen Schritten voran, und wenn das nicht schon genug Probleme wären, ist seitdem Krieg in der Ukraine das globale Wettrüsten auf der Tagesordnung der Weltgemeinschaft. Wo soll das alles noch hinführen? Mir fällt es sichtlich schwer, Worte für diesen Artikel zu finden, in einer Zeit voller düsterer Weltuntergangsprognosen. Die Momente auf dem Bike bringen zumindest etwas Ablenkung, obwohl mir selbst das ab Februar, als sich die Lage in der Ukraine zuspitze, schwerfiel. Die Lage in der Welt ist ernst.
Jeder sollte sich in der Verantwortung sehen, seinen Teil dazu beizutragen, diese Abwärtsspirale zu durchbrechen. Dafür braucht es aber mehr als Worte und nett klingende Marketing-Claims. Shimano beispielsweise redet von der "Liebe zur Natur" (1) und wirbt damit, besonders nachhaltig sein zu wollen. Womit wir bei dem eigentlichen Thema dieses Artikels wären: Wie ihr sicher wisst, teste ich gerne alles Neue, was sich die Entwicklungsabteilungen der großen Komponentenhersteller einfallen lassen. Im Frühjahr hatte ich die Gelegenheit, einige elektronische Schaltkomponenten auszuprobieren. Die Skepsis war zu diesem Zeitpunkt schon sehr groß, was den Sinn von Produkten angeht, die nicht wirklich viel Neues bringen. Nicht viel Neues? Ein Magazin nach dem anderen singt eine Lobeshymne auf die drahtlos angesteuerten Schaltungen von Shimano sowie SRAM und ihr werdet euch sicherlich fragen, was zur Hölle …!?! Nachdem Fahrräder auf der ganzen Welt zum Inbegriff umweltbewusster Fortbewegung gemacht wurden, scheint der ökologische Fußabdruck nicht mehr ganz so sauber zu sein, wie er scheint.
Ich möchte eines klarstellen: Die Grundidee, ein Fahrrad mit elektronischen Komponenten auszustatten, ist sinnvoll und bereichert unser aller Leben auf und abseits des Bikes. Allerdings sollten wir uns nichts vormachen: Es gibt einige Produkte, die eine ökologische Katastrophe sind. Wie bereits erwähnt, hatte ich im Frühjahr eine elektronische Schaltung ausprobiert und dachte mir, ich gebe dem Thema eine Chance, versuche herauszufinden, wo die Vor- und Nachteile gegenüber einer mechanischen Variante liegen, und bringe das ganze zu Papier.
Der Plan ist gründlich in die Hose gegangen. Es hat mich einfach überhaupt nicht überzeugt und ich stellte mir die Frage: Warum zum Teufel brauche ich einen Akku, ein Ladegerät und eine Steckdose, um dann zu dem gleichen Ergebnis zu kommen, das mir bereits die existierende mechanische Variante bietet, für die ich lediglich einen Schaltzug benötige? Und warum wird noch zu wenig hinterfragt, ob wir uns bei all den ökologischen Problemen auf der Welt einen solchen Luxus überhaupt leisten können? Ich rede natürlich nicht von den ohnehin schon sehr hohen finanziellen Kosten, sondern von dem ökologischen Fußabdruck.
Der Abbau von Lithium, Kobalt oder Nickel, der für die Herstellung von Akkus notwendig ist, hat bereits jetzt enorme negative Auswirkungen auf die Umwelt. Und jetzt mal ganz ehrlich: Neben dem Surren statt dem Rattern des Schaltwerks ist mir nichts aufgefallen, was diesen schädlichen Herstellungsprozess gerechtfertigt – und die elektronische Schaltung zu einem Gamechanger gemacht hätte. Shimano hat sogar inzwischen einige Rennrad-Schaltgruppen als rein elektronische Variante auf den Markt gebracht, für die es in Zukunft keine mechanische Alternative mehr geben wird (2). Mir ist vollkommen klar, dass elektronische Schaltgruppen aus dem Profi-Radsport nicht mehr wegzudenken sind. Hier reden wir allerdings über weitaus geringe Stückzahlen als bei den günstigeren Schaltgruppen, die an immer mehr Bikes zu sehen sind. Jedes Unternehmen steht in der Verantwortung, die Umwelt so wenig wie möglich zu belasten und im besten Fall für Nachhaltigkeit zu sorgen. Und wir als Verbraucher sollten uns nicht stumm jedem Trend fügen, sondern mit strengem Blick entgegentreten und Verantwortungsbewusstsein von den Herstellern einfordern, die uns regelmäßig mit neuen Innovationen versorgen.
Um das Kind beim Namen zu nennen: Elektronische Schaltungen sind uncool. Für die Umwelt ist das ein absolutes Desaster. Außerdem benötige ich auf langen Bikepacking-Ausflügen zwingend eine Steckdose und wenn mal mitten im Nirgendwo etwas kaputtgeht, habe ich die *****karte. Die App, mit dessen Hilfe ich Schaltwerk und Trigger konfigurieren kann, macht den Kohl dann auch nicht mehr fett. Zur Wahrheit gehört übrigens auch, dass die Daten, die von uns allen in solchen Apps gesammelt werden, in einem Rechenzentrum zusammenlaufen (3), was ebenfalls mithilfe von Strom betrieben werden muss. Brauchen wir das wirklich? Ein immer wieder viel gebrachtes Argument ist zudem der cleane Look am Lenker. Aber wer braucht schon ein Cockpit völlig frei von Kabeln und Schaltzügen, wenn der Ort, in dem wir uns alle mit dem Bike bewegen, immer weiter zerstört wird. Anstatt mein Bike mit teuren Komponenten auszustatten, die zwingend eine Steckdose und damit eine zusätzliche Energiequelle benötigen, möchte ich lieber ruhigen Gewissens den Blick nach vorn in die Natur richten, die uns wohl das beste Gefühl auf der ganzen Welt bietet. Ich kann diese schrecklichen Bilder von brennenden Wäldern, die sich bereits vor meiner eigenen Haustür abspielen, nicht mehr ertragen. Denn gleichzeitig macht die Welt einfach so weiter wie bisher.
Müssen wir wirklich alles am Bike elektrisieren? Es gibt bereits gut funktionierende mechanische Lösungen, die noch dazu umweltschonender herzustellen und zu betreiben sind. Bei den stetig steigenden Verkaufszahlen in der Fahrradbranche fehlt es in meinen Augen an Nachhaltigkeit. Stattdessen wird im Moment, wie in jeder anderen Branche auch, der Profit in den Vordergrund gestellt und dem Kunden beliebige Marketing-Floskeln präsentiert, die gut klingen, im Kern allerdings eine leere Worthülse darstellen.
Ich bin süchtig nach Bikes, Pedalumdrehungen und sportlichen Herausforderungen. Wenn ich nicht hier auf dieser Website blogge, verbringe ich so viel Zeit wie nur möglich im Sattel. Ich fühle mich in den Bergen wohl und erklimme auf dem Rennrad, Gravel- oder Mountainbike steile Anstiege.