23.10.2021 - geschrieben von Karsten
Im Urlaub benötigen wir keine teure Kamera mehr, um herrliche Aussichten abzulichten. Beim Autofahren kein klobiges Navigationsgerät, dass uns die beste Strecke von A nach B plant. Und auf dem Fahrrad? Auch hier dominiert inzwischen das Smartphone deutlich und ist in der Sportwelt nicht mehr wegzudenken.
Fahrradcomputer vs. Smartphone im Test
Dank unzähliger Apps wie Strava oder Komoot lassen sich Aktivitäten ohne teuren Fahrradcomputer aufzeichnen, Gesundheitsdaten in Echtzeit überwachen und in Windeseile neue Routen entdecken. Die Unterschiede zwischen beiden Gerätekategorien scheinen zu verschwimmen, dabei ergeben sich bei genauer Betrachtung, an vielen Stellen Vor- und Nachteile, die ein echter Gamechanger sein können. Für diesen Test habe ich zwei Flaggschiffe unter den Smartphones und Fahrradcomputern antreten lassen: Zum einen die Mittelklasse der Garmin-Radcomputer, der Edge 530, zum anderen ein leistungsfähiges iPhone 11 Pro von Apple. Zwei Kernfragen möchte ich in diesem Test beantworten: Wie viel Radcomputer steckt in einem Smartphone, und was sind die Vor- und Nachteile beider Gerätewelten?
Usability und funktionale Unterschiede
Garmin Edge 530 | Smartphone |
Vorinstallierte Europakarte | Touchscreen |
ANT+ Schnittstelle | Jede Menge herstellerunabhängige Apps |
Mountainbike-Messwerte | Großer Bildschirm |
Fahrradalarm | Detailreiche Kartenansichten |
Unfallerkennung | LTE-Konnektivität |
Bedien- und Lesbarkeit
Anhand der unterschiedlichen Bedienkonzepte der Geräte ergeben sich gravierende Gegensätze, die es nun folgend zu hinterfragen gilt. Beginnen wir bei dem Bildschirm. Das iPhone verfügt über ein gestochen scharfes OLED Multi-Touch 5,8 Zoll (ca. 15 cm) Display. Das Garmin Edge 530 hat hingegen lediglich ein 2,6 Zoll (6,6 cm) Farbdisplay an Bord. Hört sich erst mal nach einem Punktsieg für das Smartphone an. Je nach Funktionalität haben Touchscreen-Displays Vorteile: Unter anderem das Navigieren auf einer interaktiven Karte ist viel effizienter. Bei Trainings-Aktivitäten hingehen, spielt die Haptik eine größere Rolle, hier gibts Pluspunkte für das Tasten-Konzept. Aber warum werdet ihr euch fragen? Insbesondere das Tragen von Handschuhen kann das Bedienen eines Touchscreens erschweren, aber auch in hektischen Situationen, wenn es auf dem Trail oder der Strecke ordentlich zur Sache geht, ist es sicherer, eine Taste zu drücken.
Da Datenfelder, Trainingsziele sowie Routen in der Regel vor dem Radfahren konfiguriert werden, steht vorwiegend das Betrachten der Informationen im Vordergrund. Hier spielt der Edge 530 seine Stärken aus. Fahrrad gefahren wird ja bekanntlich am liebsten bei tollem Wetter, viel Sonne und wechselnden Lichtbedingungen. Das ist so gar nichts für das unverschämt teure Smartphone-Display. Denn wohingegen alle Informationen auf dem Garmin Edge 530 klar und deutlich zu erkennen sind, lässt sich bei ungünstigen Lichtbedingungen die Herzfrequenz oder aktuelle Routenführung auf dem iPhone-Display nur erahnen. Zusammengefasst kann ich sagen, dass es nur wenige Situationen gab, in denen ich das teure Touchscreen-Display meines Smartphones vermisst habe. Lediglich die Kartennavigation erleichtert vieles, aber auch nur dann, wenn ich einen konkreten Ort suche oder mir einen Überblick über die Region, in der ich fahre, verschaffen will. Die wenigsten – mich eingeschlossen, benötigen beim Radfahren so viele Informationen auf einen Blick, daher bieten in vielen Fällen größere Bildschirme kaum Vorteile.
Trainingsansichten
Die Trainings-Funktionalitäten bilden maßgeblich die Entscheidungsgrundlage für Rad-Sportler, sich für oder gegen ein Gerät zu entscheiden. Als Erstes sollte man sich fragen, was man mit dem Gerät anstellen möchte und wie detailreich die Trainingsüberwachung und spätere Auswertung aussehen soll. Mit dem Edge 530 lassen sich sowohl Ausfahrten auf dem Rennrad als auch auf dem Mountainbike umfassend aufzeichnen. In beiden Fällen bieten sich hierfür unterschiedliche Datenfelder und Funktionen an. Auf dem Edge 530 sowie auf dem iPhone – und der passenden App namens Cyclemeter – kann ich individuelle Ansichten und Profile erstellen, zwischen denen ich einfach wechseln kann. Auf dem iPhone sind die Ansichten dank Touchscreen fix zusammengestellt, auf dem Edge 530 dauert es etwas länger. Dank der Garmin Connect App kann ich zwar vordefinierte Datenfelder aus dem Store laden, allerdings nicht eigene erstellen oder bearbeiten. Hier verschenkt Garmin viel Potenzial und zwingt den Benutzer des Geräts eine unnötig komplizierte Nutzerführung auf. Wie schön wäre es, Datenfelder komfortabel am Smartphone zusammenstellen und anschließend auf den Fahrradcomputer übertragen zu können.
Kartenmaterial und Navigation
Der Garmin Edge 530 hat bereits eine Europakarte vorinstalliert, diese unterscheidet sich allerdings je nach Bike-Disziplin in der Darstellung. Einige Elemente, wie etwa Wälder, die im Rennrad oder Gravel-Modus grün dargestellt werden, kommen auf der Trail-Karte ohne farbliche Markierung daher. Ich muss gestehen, dass ich die Karten und Navigation eher auf dem Rennrad benutzt habe als auf dem Mountainbike. Aber in beiden Fällen war ich froh, dass ich mich ohne lästige LTE-Verbindung orientieren konnte. Steile Kurven und der nächste Meilenstein, der einem dem Ziel näher bringt, werden rechtzeitig auf dem Garmin Edge 530 angekündigt. Hat man sich einmal verfahren, berechnet der Fahrradcomputer die Route automatisch neu. Dies funktionierte auf der Straße hervorragend, auf dem Trail eher schlecht als recht. Auf dem Smartphone sieht die Welt ganz anders aus: Während des Fahrens ist es abhängig von den Lichtverhältnissen, wie gut man sich in einem Gebiet zurechtfindet und ob der Schwenk auf einen anderen Pfad der Richtige war. Möchte man allerdings rasch auf der Karte navigieren, ist das Smartphone deutlich dem Garmin Edge 530 überlegen. Der Touchscreen und der Detailreichtum der Karte sind ein absoluter Segen und machen die Orientierung nicht nur schneller, sondern auch sicherer. Wer also nicht unbedingt während des Fahrens die GPS-Navigation im Blick haben muss, hat bereits mit dem Smartphone ein erstklassiges Werkzeug zum Entdecken neuer Wege in der Tasche.
Akkulaufzeit
Ich falle gleich mit der Tür ins Haus: In Sachen Akkulaufzeit gewinnt der Garmin Edge 530 mit deutlichem Vorsprung. Es liegt allerdings auch in der Natur der Sache, dass ein Gerät, das wir üblicherweise im Alltag nutzen, also auch abseits des Bikes, kaum eine Chance hat, dass Rennen für sich zu entscheiden. Der Vergleich hinkt natürlich ein wenig, denn würden wir das Smartphone ausschließlich zum Radfahren nutzen, noch dazu im stromsparenden Modus, wäre die Gegenüberstellung beider Geräte natürlich fairer. Dies ist allerdings kein reales Szenario. Vor allem das GPS-Modul des Smartphones zieht die Akkulaufzeit ordentlich in den Keller. Aber auch Fotografieren, Routenplanung oder das Aufzeichnen der Trainingsaktivität wirken sich negativ auf den Akku aus. Wohingegen ich mein Smartphone täglich aufladen musste, konnte ich mit dem Garmin Edge 530 ein paar Tage länger ohne Kabel auskommen, selbst bei längeren Aktivitäten. Die Batterielaufzeit hängt natürlich wie immer in beiden Kategorien maßgeblich von der Nutzung des Endgeräts ab. Allerdings lässt sich definitiv sagen, im Vergleich mit dem Smartphone ist man mit dem Edge 530 einfach sorgenloser unterwegs.
ANT+ und Bluetooth Kompatibilität
Von Haus aus ist der Garmin Edge 530 mit ANT+ und Bluetooth ausgestattet. Per Funk lassen sich so problemlos elektronische Schaltungen, Trittfrequenz- oder Geschwindigkeit-Sensoren und andere Leistungsmesser verbinden, die sich dann auf dem Bildschirm in einem Datenfeld darstellen lassen. ANT+ Sensoren ermöglichen ein gezieltes Training und genaue Auswertung der späteren Entwicklungseinheiten und bieten außerdem einige Indikatoren wie bspw. die Länge der Regenerationsphasen, der geschätzte Kalorienverbrauch oder die Trainingsintensität. Diese Werte helfen mir ungemein, mein Trainingsplan spontan anzupassen und eine Überlastung zu verhindern. Auf dem Smartphone hingegen lassen sich ANT+ Sensoren ausschließlich über einen oder mehrere Adapter synchronisieren (vorausgesetzt, dass die verwendete Software das ANT+ Protokoll unterstützt). Kostenpunkt: zwischen 30 und 50 Euro pro Adapter.
Garmin Edge 530 mit einer Apple Watch koppeln
Lange Zeit war es nicht möglich, Apple und Garmin Produkte zu kombinieren. Ganz speziell bei dem Thema Herzfrequenz hatte ich schon immer den Wunsch, diese auf anderen Geräten anzeigen zu können. Alternativ kann man sich natürlich mittels Brustgurt das Leben leichter machen, allerdings hat man dann ein zusätzliches Gerät dabei, was ich gerne vermeiden möchte. Ganz nebenbei genießen die Sensoren der Apple Watch einen guten Ruf und haben sich bei vielen Sportlern als zuverlässig erwiesen. Das Unternehmen North Pole Engineering aus Minnesota hat mit „heartbeatz“ einen kleinen Sender entwickelt, der die Herzfrequenzdaten per ANT+ Signal von der Apple Watch an das Garmin-Gerät überträgt. Dies ist natürlich auch mit jedem anderen Gerät möglich, das per ANT+ Protokoll Daten empfangen kann.
Fazit
Für mich ist der Fahrradcomputer in vielerlei Hinsicht dem Smartphone überlegen. Wer nicht auf ANT+ Konnektivität verzichten und das Gerät sowie deren Funktionen ausgiebig im Training benutzen möchte – und eine vorinstallierte Europakarte präferiert, wird den Kauf eines Garmin Edge 530 definitiv nicht bereuen.
Über Karsten
Ich bin süchtig nach Bikes, Pedalumdrehungen und sportlichen Herausforderungen. Wenn ich nicht hier auf dieser Website blogge, verbringe ich so viel Zeit wie nur möglich im Sattel. Ich fühle mich in den Bergen wohl und erklimme auf dem Rennrad, Gravel- oder Mountainbike steile Anstiege.